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Überstunden und Arbeitszeiten in Frankreich: typische Stolperfallen

Arbeitszeiten und Überstundenregelungen in Frankreich unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht von den deutschen Vorschriften. Deutsche Unternehmen, die in Frankreich tätig sind oder dort Personal beschäftigen, stoßen häufig auf unerwartete Fallstricke. Unklare Regelungen zur Zeiterfassung, falsche Annahmen über die 35-Stunden-Woche und Missachtung tariflicher Vereinbarungen können schnell zu arbeitsrechtlichen Konflikten oder gar Sanktionen führen.

Anders als in Deutschland ist die französische Arbeitszeit flexibler geregelt, erfordert aber eine strikte Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften. Unternehmen, die sich nicht ausreichend mit den französischen Regularien beschäftigen, riskieren hohe Nachzahlungen und sogar arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen. Dieser Artikel gibt einen umfassenden Überblick über die wichtigsten Aspekte der französischen Arbeitszeitregelungen und zeigt auf, wie Unternehmen typische Fehler vermeiden können.

1. GESETZLICHE ARBEITSZEITEN IN FRANKREICH

1.1 Die 35-Stunden-Woche: Was bedeutet sie wirklich?

Die gesetzliche Regelarbeitszeit von 35 Stunden pro Woche wurde in Frankreich im Jahr 2000 eingeführt und gilt für fast alle Angestellten. Die Einführung dieser Regelung diente dazu, die Arbeitslosigkeit zu senken und die Work-Life-Balance zu verbessern.

Allerdings bedeutet diese Regelung nicht, dass Mitarbeiter nicht mehr als 35 Stunden pro Woche arbeiten dürfen. Stattdessen stellt sie die Schwelle dar, ab der Überstundenregelungen greifen. Unternehmen sollten beachten, dass sich die tatsächliche Wochenarbeitszeit durch branchenspezifische Vereinbarungen oder betriebliche Regelungen ändern kann.

1.2 Arbeitszeitgrenzen und Vorschriften für Ruhezeiten

In Frankreich sind klare Grenzen für die maximale Arbeitszeit gesetzlich festgelegt. Die tägliche Höchstarbeitszeit beträgt grundsätzlich zehn Stunden, kann jedoch in Ausnahmefällen auf bis zu zwölf Stunden verlängert werden. Hinsichtlich der wöchentlichen Arbeitszeit gilt eine Obergrenze von 48 Stunden. Allerdings darf die durchschnittliche Wochenarbeitszeit über einen Zeitraum von zwölf Wochen hinweg 44 Stunden nicht überschreiten.

Zusätzlich gibt es verbindliche Vorschriften für Ruhezeiten, die Unternehmen beachten müssen. Jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf eine ununterbrochene tägliche Ruhezeit von mindestens elf Stunden. Darüber hinaus ist eine wöchentliche Mindestruhezeit von 35 aufeinanderfolgenden Stunden vorgeschrieben, die in der Regel den obligatorischen Ruhetag am Sonntag einschließt. Allerdings bestehen für bestimmte Branchen Ausnahmen, die auf betriebliche Erfordernisse oder tarifliche Vereinbarungen zurückzuführen sind.

1.3 Ausnahmen für bestimmte Arbeitnehmergruppen

In Frankreich gibt es verschiedene Regelungen für spezifische Arbeitnehmergruppen, die sich von den allgemeinen Arbeitszeitvorschriften unterscheiden. Dies betrifft vor allem Führungskräfte, leitende Angestellte sowie Teilzeitkräfte, die jeweils besonderen Bestimmungen unterliegen:

  • Führungskräfte („Cadres dirigeants“) mit Vertrauensarbeitszeit: Diese sind von der 35-Stunden-Regelung ausgenommen, da sie eine bedeutende Entscheidungsbefugnis innerhalb des Unternehmens haben und nicht den üblichen Arbeitszeitbeschränkungen unterliegen. Sie arbeiten nach individuellen Vereinbarungen, die oft ein hohes Maß an Eigenverantwortung und eine flexible Arbeitsgestaltung vorsehen.
  • Vertrauensarbeitszeit („Forfait jours“) für leitende Angestellte: Diese besondere Regelung erlaubt es, die Arbeitszeit in Tagespauschalen anstatt auf Stundenbasis zu erfassen. Anstatt einer wöchentlichen Arbeitszeit in Stunden wird eine jährliche Anzahl an Arbeitstagen festgelegt, die nicht überschritten werden darf. In der Regel sind dies maximal 218 Arbeitstage pro Jahr.
  • Teilzeitkräfte: Für diese gelten spezielle Regeln bezüglich der zulässigen Mehrarbeit. Diese zusätzlichen Stunden werden als „heures complémentaires“ bezeichnet. Sie dürfen grundsätzlich nicht mehr als 10 % der im Arbeitsvertrag festgelegten Wochenstunden betragen, es sei denn, ein Tarifvertrag erlaubt eine Erweiterung auf bis zu 33 %.
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2. AB WANN GELTEN ARBEITSSTUNDEN ALS ÜBERSTUNDEN?

In Frankreich sind die Regeln für Überstunden klar definiert, unterscheiden sich jedoch in mehreren Aspekten von den deutschen Vorgaben. Während in Deutschland oft eine 40-Stunden-Woche als Norm betrachtet wird, beginnt die Berechnung von Überstunden in Frankreich bereits ab der 36. Arbeitsstunde pro Woche. Dies kann insbesondere für deutsche Unternehmen, die in Frankreich tätig sind, zu Unsicherheiten führen. Eine korrekte Handhabung der Überstunden ist essentiell, um finanzielle Risiken und arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.

2.1 Unterschied zwischen Überstunden und Mehrarbeit

In Frankreich ist es wichtig, zwischen Überstunden und Mehrarbeit zu unterscheiden, da beide Begriffe unterschiedliche gesetzliche Regelungen und Vergütungsmechanismen betreffen. Während Überstunden bei Vollzeitbeschäftigten anfallen, betrifft Mehrarbeit primär Teilzeitkräfte.

Unternehmen sollten sich dieser Unterscheidung bewusst sein, um sowohl die gesetzlichen Vorschriften einzuhalten als auch potenzielle Konflikte mit Mitarbeitern zu vermeiden:

  • Überstunden gelten für Vollzeitbeschäftigte und beginnen ab der 36. Arbeitsstunde pro Woche.
  • Mehrarbeit für Teilzeitkräfte („heures complémentaires“) beginnt bereits ab der ersten zusätzlich geleisteten Stunde. Hier gelten gesonderte Vergütungsregelungen, die oft unterhalb der Zuschläge für reguläre Überstunden liegen.

2.2 Besondere Regelungen für bestimmte Berufsgruppen

Die korrekte Handhabung von Überstunden ist für Unternehmen in Frankreich von großer Bedeutung. Unwissenheit oder fehlerhafte Prozesse können zu finanziellen Nachteilen und rechtlichen Konsequenzen führen:

  • Arbeitnehmer im Gesundheitswesen, der Gastronomie oder dem Transportwesen unterliegen oft speziellen Arbeitszeitmodellen.
  • Saisonarbeiter oder Schichtarbeiter haben teils gesonderte Vorschriften für Überstunden.

Deutsche Unternehmen sollten sich intensiv mit den französischen Regelungen auseinandersetzen, um Streitigkeiten mit Mitarbeitern oder Behörden zu vermeiden. Eine transparente Zeiterfassung sowie die Beachtung tariflicher und gesetzlicher Vorgaben sind entscheidende Faktoren für eine rechtskonforme Überstundenregelung.

3. WIE WERDEN ÜBERSTUNDEN IN FRANKREICH VERGÜTET?

Die Vergütung von Überstunden in Frankreich ist streng geregelt und unterscheidet sich teilweise erheblich von den in Deutschland üblichen Regelungen. Unternehmen, die in Frankreich tätig sind, müssen sicherstellen, dass sie die geltenden Vorschriften einhalten, um arbeitsrechtliche Konflikte und finanzielle Sanktionen zu vermeiden. Die Vergütungsmöglichkeiten umfassen gesetzlich vorgeschriebene Zuschläge, Freizeitausgleich sowie branchenspezifische Vereinbarungen, die in Tarifverträgen festgelegt sind.

3.1 Gesetzlich vorgeschriebene Zuschläge

Die französischen Arbeitsgesetze sehen eine verpflichtende Überstundenvergütung vor, die darauf abzielt, Arbeitnehmer für ihre zusätzliche Arbeitsleistung angemessen zu entschädigen. Diese Regelungen sollen nicht nur die Interessen der Beschäftigten schützen, sondern auch eine einheitliche und transparente Lohnpolitik gewährleisten.

Dabei gilt Folgendes zu beachten:

  • Die ersten acht Überstunden werden mit mindestens 25 % Zuschlag vergütet. Dies bedeutet, dass Arbeitnehmer für jede Stunde über die reguläre 35-Stunden-Woche hinaus ein Viertel mehr Lohn erhalten. Diese Regelung gilt für die Stunden zwischen der 36. und 43. Arbeitsstunde pro Woche.
  • Jede weitere Überstunde wird mit 50 % Zuschlag bezahlt. Sobald die achtstündige Überstundengrenze überschritten wird, steigt der Vergütungszuschlag auf die Hälfte des regulären Stundenlohns, was einen erheblichen finanziellen Anreiz für Arbeitnehmer darstellt.

Diese Zuschläge können in bestimmten Branchen durch Tarifverträge oder betriebliche Vereinbarungen angepasst werden. In einigen Fällen ist es möglich, eine geringere Vergütung zu vereinbaren, sofern dies durch eine kollektive Vereinbarung gedeckt ist. Hier sollten Unternehmen stets die geltenden Tarifverträge prüfen, um sicherzustellen, dass die Vergütung den jeweiligen Standards entspricht.

3.2 Freizeit statt Geldvergütung – die „Repos compensateur“

Arbeitgeber können mit ihren Mitarbeitern eine Freizeitausgleichsregelung (Repos compensateur) vereinbaren, sodass Überstunden nicht ausbezahlt, sondern durch zusätzliche freie Tage abgegolten werden. Diese Regelung ist besonders in Berufen verbreitet, in denen unregelmäßige Arbeitszeiten üblich sind. Der Freizeitausgleich muss in einem bestimmten Zeitraum erfolgen, der gesetzlich oder tariflich festgelegt sein kann.

Ein Unternehmen, das sich für den Freizeitausgleich entscheidet, muss sicherstellen, dass diese Regelung korrekt dokumentiert und mit den Arbeitnehmern abgestimmt wird. In manchen Fällen kann der Arbeitgeber verpflichtet sein, eine Kombination aus Freizeitausgleich und finanzieller Vergütung anzubieten.

3.3 Branchenspezifische Regelungen

In vielen Branchen existieren Tarifverträge („conventions collectives“), die spezielle Regelungen für Überstunden enthalten. Diese Vereinbarungen können vorteilhafte oder abweichende Vergütungsmethoden beinhalten. Beispielsweise kann eine geringere oder höhere Vergütung der Überstunden vorgesehen sein, oder es können alternative Vergütungsformen wie zusätzliche Sozialleistungen angeboten werden.

Insbesondere in den Branchen Gastronomie, Bauwesen, Gesundheitswesen und Transport sind individuelle Regelungen üblich, die sich erheblich von den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen unterscheiden können. Unternehmen, die in diesen Branchen tätig sind, sollten sich daher eingehend mit den geltenden Tarifverträgen befassen und ihre Arbeitsverträge entsprechend anpassen.

4. TYPISCHE FEHLER UND WIE SIE VERMIEDEN WERDEN KÖNNEN

Viele deutsche Unternehmen, die in Frankreich tätig sind, gehen davon aus, dass Arbeitszeit- und Überstundenregelungen ähnlich denen in Deutschland sind. Dies kann jedoch zu schwerwiegenden Fehlern führen, da Frankreich spezifische Vorschriften und kulturelle Besonderheiten im Umgang mit der Arbeitszeit hat. Insbesondere die 35-Stunden-Woche, tarifvertragliche Sonderregelungen und strenge Dokumentationspflichten sind Aspekte, die nicht unterschätzt werden sollten. Fehler in diesen Bereichen können nicht nur zu hohen Nachzahlungen, sondern auch zu Unzufriedenheit bei den Mitarbeitern und arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen.

Häufige Fehler:

  1. Unterschätzung der Bedeutung der 35-Stunden-Woche
    • Viele Unternehmen gehen davon aus, dass 40 Stunden die Norm sind. In der Praxis müssen Arbeitsverträge jedoch explizit klären, wie mit den zusätzlichen Stunden umgegangen wird.
    • Ohne eine klare Regelung zur Überstundenvergütung oder alternativen Arbeitszeitmodellen (z. B. „Forfait jours“) kann es zu Unstimmigkeiten mit den Mitarbeitern kommen.
  2. Fehlende oder unklare Zeiterfassung
    • Französische Unternehmen sind gesetzlich verpflichtet, die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter genau zu dokumentieren. Ohne eine verlässliche Zeiterfassung riskieren Unternehmen hohe Strafen.
    • In Deutschland sind Vertrauensarbeitszeitmodelle üblich, die in Frankreich nur unter bestimmten Bedingungen zulässig sind. Daher ist es notwendig, die Arbeitszeiterfassung gesetzeskonform zu gestalten.
  3. Missachtung von Tarifverträgen und betrieblichen Vereinbarungen
    • Viele Branchen haben spezielle Tarifverträge mit eigenen Überstundenregelungen. Ein Ignorieren dieser Vorschriften kann zu erheblichen Nachzahlungen führen.
    • Oftmals sind in Tarifverträgen spezifische Bestimmungen zur Pausenregelung, Nachtarbeit und Sonntagsarbeit enthalten, die Unternehmen beachten müssen.
  4. Unzureichende Kommunikation mit französischen Mitarbeitern
    • Unterschiede in der Arbeitskultur führen oft zu Missverständnissen, insbesondere wenn Arbeitgeber nicht klar kommunizieren, welche Erwartungen an die Arbeitszeit bestehen.
    • Ein Mangel an klaren Anweisungen kann dazu führen, dass Überstunden stillschweigend akzeptiert werden, ohne dass sie korrekt dokumentiert und vergütet werden.
  5. Fehlende Beratung durch lokale Experten
    • Arbeitsrechtliche Bestimmungen in Frankreich sind komplex und ändern sich regelmäßig. Unternehmen sollten sich frühzeitig durch Experten oder spezialisierte Kanzleien beraten lassen, um Fehler zu vermeiden.
    • Die Zusammenarbeit mit französischen HR-Spezialisten oder Arbeitsrechtlern kann helfen, rechtliche Stolperfallen zu umgehen und eine korrekte Umsetzung der Arbeitszeitvorschriften sicherzustellen.

FAZIT: KLARE REGELN FÜR EINE RECHTSSICHERE PERSONALFÜHRUNG

Die Regelungen zu Arbeitszeiten und Überstunden in Frankreich erfordern eine präzise Kenntnis der gesetzlichen Rahmenbedingungen. Besonders für deutsche Unternehmen, die an das deutsche Arbeitsrecht gewöhnt sind, besteht ein erhöhtes Risiko für Missverständnisse und unbewusste Verstöße. Ohne eine durchdachte Strategie können sich Überstunden schnell ansammeln und zu unerwarteten finanziellen Belastungen oder sogar rechtlichen Problemen führen. Daher ist es unerlässlich, die Unterschiede zum deutschen System zu verstehen und sich proaktiv darauf einzustellen.

Um Risiken zu minimieren, sollten Arbeitgeber klare und transparente Regelungen zur Überstundenvergütung in den Arbeitsverträgen festlegen und sicherstellen, dass alle Prozesse zur Zeiterfassung und Vergütung den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Lassen Sie sich bei Unsicherheiten von deutsch-französischen Experten beraten, um rechtliche Risiken zu minimieren und eine reibungslose Arbeitsorganisation zu gewährleisten.

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